Deutschkenntnisse sind Grundlage der Integration

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55 jugendliche Flüchtlinge werden an der Bertha-Benz-Schule in drei Klassen unterrichtet. Dabei geht es in erster Linie um den Erwerb von Deutschkenntnissen. Zugleich erhalten die Schüler eine Hilfe zur Bewältigung des Lebensalltages in einer ihnen fremden Kultur und gewinnen erste Einblicke in die Berufswelt. Auch Flüchtlingskinder sind in Deutschland schulpflichtig, sofern sie bereits sechs Monate im Land sind.

Die Zahl der Flüchtlinge besonders aus den Bürgerkriegsgebieten steigt derzeit rapide und es ist nicht absehbar, wie sich diese Zahl entwickelt. "Wir müssen davon ausgehen, dass 80 bis 90 Prozent der Flüchtlinge auf Dauer in Deutschland bleiben", sagt der erste Landesbeamte Rolf Vögtle. Insofern tue man gut daran, die Menschen frühzeitig zu integrieren und dabei sei der wichtigste Schritt die Sprachförderung.

Dementsprechend werden Flüchtlinge in allen Altersstufen sprachlich betreut, Kinder und Jugendliche in den Schulen und Erwachsene über 21 Jahre in Sprachkursen, die zweimal wöchentlich zwei Stunden stattfinden. Für die ganz Kleinen gibt es, sofern sie nicht in den Kindergarten gehen, einen Förderunterricht in der Unterkunft in Laiz. "Wir bauen gerade ein Spielzimmer aus, in dem gibt es dann auch Bücher, Spielmaterialien, kleine kindgerechte Werkbänke oder Puppen. Im Januar wollen wir starten", sagt Mechthild Grau, die im Gelben Haus in Laiz die Flüchtlinge betreut.

"Wir sind da recht hoffnungsvoll, von einer ganzen Reihe von Leuten kommen hier positive Zeichen", sagt Klaus A. Peter, Schulleiter an der Bertha-Benz-Schule. Ein guter Schritt in Richtung Integration seien auch die Kontakte auf dem Pausenhof, die die Schüler knüpfen können. Auch entwickle die Flüchtlingsbetreuung eine gewisse Eigendynamik. Ohne jegliche Werbung erfahre man breite Unterstützung, es gebe eine große Spendenbereitschaft. So haben Sponsoren zum Beispiel für eine Klasse die Sportschuhe gestiftet. "Besonders Schulsachen wie Stifte und Hefte können wir immer gebrauchen", sagt Mechthild Grau. Nicht zuletzt sind auch Arbeitgeber an gut ausgebildeten Mitarbeitern interessiert, und wenn die Sprachbarriere überwunden werden kann, entsteht hier eine für beide Seiten gewinnbringende Situation. "Wenn irgend möglich, wollen wir die Jugendlichen in eine reguläre duale Ausbildung bringen", sagt Landrätin Stefanie Bürkle, es gebe 600 unbesetzte Ausbildungsplätze in der Region. Mit den Jobcentern der Arbeitsagenturen bilde man hier Schnittstellen, um die Fähigkeiten der Flüchtlinge zu nutzen und diesen in Deutschland eine Perspektive zu bieten.

Denn nachdem das Arbeitsverbot für Asylbewerber gefallen ist, kommt Bewegung in den Arbeitsmarkt. Beispielsweise hat ein jugendlicher Flüchtling inzwischen eine Lehre bei Gühring angetreten, sein Bruder steht im Kontakt mit einer anderen namhaften Firma.

In der Bertha-Benz-Schule musste man kurzfristig reagieren. "Wir haben zwar zwei zusätzliche Lehrerstellen bewilligt bekommen, konnten aber nur eine bislang besetzen", sagt Schulleiter Peter. Die Unterrichtung von immer mehr Flüchtlingen sei natürlich eine Herausforderung für die Schule, aber man habe flexibel reagiert. So hätten einige Lehrer freiwillig ihr Stundenkontingent aufgestockt.

In der Autowerkstatt sind derweil zwölf Jugendliche bei der Arbeit. Drei schrauben an einem alten Getriebe herum, wobei ein Schüler, der offensichtlich schon in seiner Heimat eine KfZ-Lehre angefangen hat, als Brücke hilfreich ist, er kann seinen Kollegen auch schon Dinge erklären.

Der technische Lehrer Joachim Zühlke spricht nur Deutsch mit seinen Schülern, so lernen sie am schnellsten die Begriffe und Anweisungen. Zühlke pendelt zwischen der verschiedenen Arbeitsplätzen, gibt Hinweise, warnt vor Gefahren und schaut insgesamt nach dem Rechten. In der Bäckerei lässt Lehrer Günter Lutz Weihnachtsgebäck herstellen und die jungen Männer sind mit Freude bei der Arbeit. "Wir radebrechen in verschiedenen Sprachen wie Englisch und Französisch, und notfalls nehmen wir halt Hände und Füße zur Hilfe", sagt Lutz. "Und außerdem lerne ich so ein bisschen Arabisch", lacht er.

In einer anderen Klasse wird ebenfalls Weihnachtsgebäcke hergestellt, aber eigentlich geht es hier ums Kaufen und Verkaufen. In dieser Klasse sind auch Mädchen. Daniela Lindner zeigt, wie man Zimtsterne, Nussmakronen oder Vanillekipferl anfertigt und sie anschließend in Zellofantüten verpackt. Im hauseigenen Lehr-Laden werden dann die Leckereien verkauft, und diesmal sind es keine Kunststoffattrappen. Da schmeckt den Schülern der Unterricht.

Text und Foto: Christoph Wartenberg, Schwäbische Zeitung, erschienen am 16.12.2014