Theaterinszenierung "Woyzeck"

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Lehrerzimmer der Bertha-Benz-Schule verwandelt sich in eine Theaterbühne

Graue Vorhänge im Hintergrund. Graue, verdreckte und wild verteilte Kleidungsstücke auf dem Boden. Grauer Metallzaun im Vordergrund – Als „trostlos und irgendwie bedrückend“ empfinden zwei Schülerinnen das Bühnenbild. Gespannt warten rund 100 Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufe 1 darauf, was es gleich zu erleben gibt.

Am 8. April war das THEATERmobileSPIELE aus Karlsruhe zu Gast an der Bertha-Benz-Schule und hauchte in zwei Aufführungen Georg Büchners 1836 entstandenem Dramenfragment „Woyzeck“ Leben ein. Regisseur Thorsten Kreilos inszeniert den Abi-Stoff speziell für Schulen als Ein-Personen-Stück. Dabei wird die Geschichte eines Mordes aus der Sicht des Mörders Woyzeck erzählt. Woyzeck ist ein armer Soldat, der mit seiner Freundin Marie ein einjähriges Kind hat. Um die Familie durchzubringen, erweist Woyzeck seinem Hauptmann neben dem Dienst kleine Gefälligkeiten. Für einen Hungerlohn unterzieht sich Woyzeck zudem - als wissenschaftliches Versuchskaninchen seines skrupellosen Hausarztes - einer radikalen Erbsendiät. Derart körperlich und geistig geschwächt muss Woyzeck erleben, dass seine Freundin ihn mit einem Tambourmajor betrügt. Deshalb kauft Woyzeck sich ein Messer und bringt Marie um. Den Fragen, wie es zu diesem Mord kommen konnte und wer Schuld an dem Mord hat, spürt die Inszenierung nach:

Der Schauspieler Julian W. Koenig krabbelt zu Beginn auf allen vieren auf die Bühne und schlabbert Wasser aus einem Soldatenhelm. Als ein Weckerklingeln ertönt, frisst er widerwillig Erbsensuppe aus einem Napf. Nicht wie ein Mensch, sondern „wie ein Tier im Zoo“, wie ein „Gefangener in seinem Käfig“, wie ein „konditionierter Hund“, mag man als Zuschauer denken. Für die Schüler ist es faszinierend, wie die Figuren als Puppen im Laufe der Aufführung aus den Kleiderbergen auferstehen und mit welcher „schauspielerischen Eleganz“ Julian W. Koenig mittels eines Stabes die Bewegungen der Puppen steuert und ihre Stimmen „authentisch“ imitiert.

Woyzeck wird von seinem Hauptmann und seinem Doktor verspottet, niedergemacht, für dumm verkauft und letztlich wie als Tier eher miss- denn behandelt. Marie verschweigt ihm die Affäre, obwohl verräterische Ohrringe ihre Beziehung zum Tambourmajor offensichtlich werden lassen. Schlussendlich ist Woyzeck ein armer Kerl, der von allen ausgenutzt wird. Woyzeck sei „nicht allein Schuld an Maries Tod“, er werde auch in diese „Richtung gedrängt“, sind sich manche Zuschauer sicher.

Nach rund einer Stunde beantwortete Julian W. Koenig noch Schülerfragen. Ein Schüler wollte wissen, wie es gelingen könne, dass das Spielen immer so gut mit der Bandansage eines Marktschreiers oder dem Weckerklingeln korrespondiere. Das Geheimnis wurde gelüftet: Der Schauspieler bedient eine in der Kleidung versteckte Bluetooth-Fernbedienung, die mit einem Laptop verbunden ist.

„Intensiv“, „bildhaft“, „lebhaft“, „ein gelungener Auftritt“ oder „auf jeden Fall weiterzuempfehlen“ waren Stimmfetzen, die man hören konnte, als die Schülerinnen und Schüler „begeistert“ das Lehrerzimmer verließen.

Text und Fotos: Andreas Maier